Dardanellen

Dardanellen
Dar|da|nẹl|len <Pl.>:
Meerenge zwischen Ägäis u. Marmarameer.

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Dardanẹllen
 
[nach der antiken Stadt Dardanos], türkisch Çanakkale Boğazɪ [tʃa'nakkalə bɔː'azə], Meeresstraße zwischen dem Marmarameer und dem Ägäischen Meer, etwa 65 km lang, 2-6 km breit (zwischen der Halbinsel Gelibolu auf der europäischen Seite und Kleinasien) und bis 100 m tief. Das relativ salzarme Wasser, das durch den Bosporus in das Marmarameer gelangt, wird durch die Dardanellen in einer Oberflächenströmung unter langsamer Erhöhung des Salzgehalts in das Ägäische Meer geleitet. Eine entgegengerichtete bodennahe Strömung transportiert salzreiches Mittelmeerwasser in das Marmarameer.
 
 
Die Dardanellen, in der Antike und im Mittelalter Hellespọnt (griechisch Hellespontos) genannt, dienten schon im Altertum sowohl als Seeverbindung zwischen Ägäis und Schwarzem Meer wie auch - aufgrund ihrer geringen Breite - als Verbindungsglied zwischen Europa und Asien. Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. war Troja, strategisch günstig 6 km landeinwärts am Eingang der Dardanellen gelegen, am Schnittpunkt der Land- und Seeverbindungen, ein wichtiger Platz für den Handel zwischen dem Balkan und Kleinasien. Im Verlauf der griechischen Kolonisationsbewegung wurde das Gebiet um die Dardanellen dicht besiedelt (8.-7. Jahrhundert v. Chr.). Die Kolonien, u. a. Lampsakos, Abydos, Sigeion, Kallipolis (Gallipoli, heute Gelibolu), Sestos, sollten die Handelsstraße ins Schwarze Meer sichern. 480 v. Chr. setzte der persische König Xerxes I. sein Heer auf einer Schiffbrücke über die Dardanellen, die nach den Perserkriegen unter die Kontrolle Athens gerieten, 405 v. Chr. aber wieder den Persern zufielen. 334 v. Chr. überbrückte Alexander der Große die Meerenge. Arabische Flotten drangen durch sie 668, 672 und 717 ins Marmarameer ein. Die Kreuzfahrer erzwangen die Durchfahrt 1203 (4. Kreuzzug). Um 1354 überquerten die Osmanen die Dardanellen und schnitten dadurch Konstantinopel vom Mittelmeer ab. Nach dessen Eroberung (1453) befestigten sie die Dardanellen. Das um 1470 von Mehmed II. gegründete Sultansschloss Çanakkale, auf das der türkische Name für die Dardanellen zurückgeht, wird in italienischen Seekarten Dardanelo genannt (nach der südlich gelegenen antiken Stadt Dardanos); danach erhielt die Meerenge den Namen Dardanellia. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurden die Befestigungsanlagen ausgebaut und mit Geschützen bewehrt.
 
Der Einbruchsversuch einer russischen Flotte am 26. 7. 1770 misslang (Russisch-Türkischer Krieg 1768-74, Türkenkriege). Dagegen konnte eine britische Flotte am 19./20. 2. 1807, allerdings erfolglos, bis in die Nähe Konstantinopels vorstoßen. Darauf schloss die Türkei mit Großbritannien 1809 einen Vertrag, der allen nichttürkischen Kriegsschiffen die Durchfahrt versagte und der durch den Dardanellenvertrag (Meerengenvertrag) der fünf Großmächte (Großbritannien, Frankreich, Russland, Österreich, Preußen) am 13. 7. 1841 sowie durch den Pariser Frieden 1856 bestätigt wurde. Auch für Handelsschiffe wurde bei Nacht die Durchfahrt gesperrt; 1864-77 erfolgte eine Neubefestigung. Nach russischen Versuchen 1891, die Durchfahrt zu erzwingen, kam es zu einer Abmachung, die die Meldung russischer Soldaten auf Handelsschiffen zur Pflicht machte.
 
Bei Beginn des Ersten Weltkrieges waren die Befestigungen in mancher Hinsicht veraltet. Trotzdem gelang es den Türken mit deutscher Hilfe, britisch-französische Angriffe nach anfänglichen Verlusten (9.-25. 2. 1915; Liman von Sanders) erfolgreich abzuschlagen. Auch Landangriffe auf Gallipoli (seit 25./26. 4. 1915) endeten am 19./20. 12. 1915 mit einem alliierten Misserfolg. Bei der Abwehr zeichnete sich Kemal Atatürk aus. Die Dardanellen blieben in türkischer Hand. Der Friede von Lausanne (24. 7. 1923 und das Abkommen von Montreux (20. 7. 1936 regelten die noch heute geltenden Durchfahrtsrechte (Meerengenfrage). Das Befestigungsverbot von 1923, überwacht von einer Internationalen Meerengenkommission, wurde 1936 wieder aufgehoben. Seitdem befestigte die Türkei die Dardanellen erneut.
 
 
O. Liman von Sanders: 5 Jahre Türkei (21922);
 K. Mühlmann: Der Kampf um die D. 1915 (1927);
 A. Moorehead: Gallipoli (London 1956);
 R. R. James: Gallipoli (New York 1965);
 J. Morf: Die D.-Frage an der Konferenz von Montreux 1936 (1977).
 

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Dar|da|nẹl|len <Pl.>: Meerenge zwischen Ägäis u. Marmarameer.

Universal-Lexikon. 2012.

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